Braille-Blindenschrift
Louis Braille wurde am 4 Januar 1809 in der Nähe von Paris geboren. In der Sattlerwerkstatt seines Vaters spielend, verletzte er sich im Alter von 3 Jahren ein Auge und erblindete allmählich ganz. Als er 10 Jahre alt war, brachte sein Vater ihn in das Pariser Blindeninstitut. Dort lernten die Schüler bis dahin nur, erhabene lateinische Druckbuchstaben mit den Fingern zu lesen.
Schon 2 Jahre später, 1821, begegnete Louis Braille dem Artillerieoffizier Charles Barbier de la Serre. Dieser hatte nach einer Schrift gesucht, die Soldaten auch bei Dunkelheit lesen konnten. Er hatte erkannt, daß sich dabei erhabene Punkte leichter erkennen ließen als erhabene Linien. Er hatte deshalb eine Schrift aus maximal 12 Punkten entworfen, deren Zeichen allerdings nicht Buchstaben, sondern nur Laute wiedergeben sollten.
Bis Oktober 1825 gelang es Louis Braille, daraus eine regelrechte Buchstabenschrift zu entwickeln und dabei die Zahl der Punkte auf 6 zu reduzieren. Das war nötig, weil man mit den Zeigefingerspitzen, die man üblicherweise zum Lesen verwendet, kaum mehr als 6 Punkte auf einmal wahrnehmen kann, auch wenn sie, wie bei Louis Braille, zu einem auf der Schmalseite stehenden Rechteck von zweimal drei Punkten angeordnet sind. Die Verminderung auf sechs war andererseits aber schwierig, weil sich mit 6 Punkten nur 63 Zeichen herstellen lassen – an sich viel zu wenig, um jedem Schwarzschriftzeichen ein entsprechendes Blindenschriftzeichen zu geben.
Die Schrift ist systematisch aufgebaut und darum leicht erlernbar. Die Blinden brauchen nicht mehr jeden Punkt einzeln zu stechen, sondern können auf einer Maschine schreiben. Das geht leicht und schnell. Die Maschine hat neben der Leertaste entsprechend den 6 Punkten der Schrift nur 6 Tasten, welche mit den 3 mittleren Fingern beider Hände bedient werden.Besteht ein Zeichen, wie meist, aus mehreren Punkten, so werden – gleich einem Akkord auf dem Klavier – mehrere Tasten gedrückt.
In Deutschland wurde die Blindenschrift durch Alfons Köchlin eingeführt. Im Jahre 1821 geboren, erblindete er allmählich um das Jahr 1850. Danach lernte er in Nancy die Blindenschrift kennen, erkannte ihren hohen Wert und lehrte sie in der im Jahre 1856 von ihm gegründeten Blindenschule Illzach im Elsaß. Ab 1866 ließ er die ersten deutschen Blindenschriftbücher drucken, unter anderem das Johannesevangelium.
Heute gibt es bei uns mehrere vollständige Bibelübersetzungen in Blindenschrift. Die Christoffel-Blindenmission in Bensheim und der Weltbund der Bibelgesellschaften in Stuttgart fördern außerdem den Druck der Bibeln in Blindenschrift noch in vielen anderen Sprachen.
Dazu muß man wissen, daß inzwischen auch diejenigen Sprachen in 6 Punkten geschrieben werden können, die nicht auf dem lateinischen Alphabet basieren. Die etwa 9000 chinesischen Wort- und Silbenzeichen können mit den 63 Zeichen der Sechspunktschrift allerdings nicht wiedergegeben werden. Blinde Chinesen schreiben deshalb auch heute noch nur eine Lautschrift, genauer gesagt verschiedene Lautschriften, je nachdem, welchen Dialekt sie sprechen. Die erste chinesische Lautschrift wurde von einem schottischen Missionar entwickelt, als er im Jahre 1876 die Blindenschule Beijing (Peking) gründete, die zweite wahrscheinlich von der amerikanischen Missionsärztin Dr. Mary West-Niles in Kanton. Für unzählige Blinde in der ganzen Welt eröffnete die Blindenschrift den Zugang zu Bildung und Ausbildung und damit den Weg in ein erfüllteres Leben. Doch noch heute können viele blinde Kinder und Jugendliche in Südostasien diese Chance nicht nutzen, weil ihre Familien nie von der Blindenschrift und von den Bildungsmöglichkeiten für Blinde gehört haben und einen Schulbesuch ihrer Kinder auch nicht finanzieren könnten.
Hier will die Hildesheimer Blindenmission helfen –
…damit Hände sehen lernen!